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Galerie Szaal

Franz Grabmayr

Pfaffenberg 1927 – 2015 Wien
Franz Grabmayr entstammt jener Künstlergeneration in Österreich nach 1945, die ihre Herausforderung darin sah, die Malerei noch einmal aus sich selbst heraus zu begründen. An der Wiener Akademie waren Robin Christian Andersen und Herbert Boeckl seine Lehrer, sodass es nicht verwundert hätte, wäre der Künstler zu einem repräsentativen Glied in der Kette des typisch österreichischen malerischen Expressionismus geworden. Doch die wahre Bedeutung Grabmayrs beruht vielmehr auf der radikalen Überwindung seines künstlerischen Erbguts.

Dennoch ginge fehl, wer sich die Überwindung des Boeckl´schen Erbes als glatten Bruch mit der Tradition vorstellen würde. Vielmehr entwickelte Franz Grabmayr sein Werk in den vergangenen Jahrzehnten mit einer fast beispiellosen kontinuierlichen Konsequenz. Aber gerade aus dieser ungewöhnlichen Beharrlichkeit heraus erfolgte die Weiterentwicklung eines am Gegenstand haftenden Expressionismus zum qualitativ Neuen eines der prononciertesten und originellsten Materialkünstler der Gegenwart. Die Metamorphose ist subtil vor sich gegangen, nicht in Sprüngen; langsam und stetig, wie es dem Charakter des Künstlers entspricht.
Und dennoch vereint Grabmayrs Œuvre weitestgehende malerische Abstraktion mit anschaulich-konkreten Bildtiteln. Denn dem Maler ist bis heute der Gegenstand, die Natur, in so hohem Maß wichtig, dass ihm eine Bezeichnung seiner Gemälde mit „ohne Titel“ oder eine schlichte Nummerierung der Bilder wie ein nomineller Verrat an konkreten Bächen, Felsen, Kornmandln, Wurzelstöcken, Strohballen und Tänzerinnen erschiene. Und auch wenn in den meisten Bildern Motive, Themen und Gegenstände mehr zu erahnen als zu erkennen sind, so wird der motivische Anlass für das Bild vom malerischen Umsetzungsprozess nicht soweit aufgesogen, dass nicht bestimmte Stimmungen oder dem Gegenstand innewohnende Energien und Kräfte kenntlich würden. So enthüllen die Werke des fanatisch die Natur beobachtenden und studierenden Künstlers das Wesen der vier Elemente: des Feuers und des Wassers, der Erde und der Luft – die „Kraft des Lebendigen“, wie Franz Grabmayr sagte.

Diese Verbundenheit mit der Natur wurzelt zum einen in seiner Kindheit in Kärnten, zeigt sich aber auch in späteren Jahren in der Wahl seiner Lebensräume: Ab 1964 arbeitete Grabmayr im halbverfallenen Renaissanceschloss Rosenau in vollkommener Abgeschiedenheit, in einer fast wörtlich zu nehmenden Zivilisationsferne, die weder Elektrizität noch Fließwasser im Schloss kannte und wo ab 1966 die berühmten „Sandgruben-Bilder“ entstanden. 1972 übersiedelte der Künstler mit seiner Familie in einen alten Bauernhof bei Zwettl, was wiederum eine neue Motivwelt mit sich brachte: Neben die „Sandgrube“ tritt der „Felsen im Kamp“, das bewegte Element des Wassers im Kontrast zum ruhenden, schweren Stein. Hier vollzieht sich in Grabmayrs Schaffen jene Entwicklung, die von den Impressionisten bis zu den Fauvisten und dem frühen Expressionismus fast ein halbes Jahrhundert gedauert hat: die Verselbständigung der Farbe – ihre Befreiung von der Funktion der Abbildung.

Diese Erkenntnis, dass die Farbe nicht nur aufgrund ihres Kolorits sondern ebenso sehr als Material ein wesentliches Element der Malerei darstellt, gipfelt in Gauguins berühmten Ausruf: „Die reine Farbe. Ihr muss man alles opfern.“

Franz Grabmayrs Gemälde sind ganz wesentlich von dieser autonomen Farb- und Materialästhetik geprägt, die auch die Bedeutung des Werks und seinen Rezeptionsrahmen bestimmen. Grabmayrs Auffassung erhebt den Anspruch, dass seine Bilder nicht länger Abbildungen, sondern dem Vorbild ebenbürtige Wesen seien. Das Dargestellte, ob es sich nun um Strohpinkerln oder Tänzerinnen handelt, entzieht sich visuell geradezu dem Vergleich mit ihrem Vorbild. Fläche und Farbe werden vom Darstellungs- zum Gestaltungsmittel, dem ursprünglichen Erlebnis wird eine ästhetische Gestalt gegeben. Und selbst dann, wenn Grabmayr das Motiv in seinen Umrissen unmissverständlich lesbar macht, wird die Binnenfaktur als Mittel der Oberflächengestaltung so gezielt eingesetzt, dass die Farbe als Material wirkt. Grabmayr vollzieht hier den Schritt zu einer neuen Materialästhetik und wird einer der wichtigsten und besten Vertreter einer Malerei, die sich durch einen plastischen Umgang mit dem Farbpigment auszeichnet.

Während jedoch bei den zeitgleich tätigen Wiener Aktionisten der Wille zur Zerstörung der Form dominiert, wird bei Grabmayr die Materialmalerei stets gebändigt vom Willen des Künstlers, Energie und Dynamik der Empfindung sichtbar zu machen. Grabmayr arbeitet also aus der Anschauung heraus. Er braucht das expressive Motiv zur Anregung und Orientierung, als Vorgabe und Maßstab. Er steigert sich beim Malen in einen Rausch bis er sich mit der Wildheit des Motivs identifiziert und er der Kraft der Naturgewalt seine eigene entgegensetzt – gleichviel ob es stürzende Wasser oder Feuerfunken sind.

Es ist diese hochexplosive Energie des Malaktes, im Umgang mit dem Farbpigment, die sich auf dem Bildleib abdrückt und die Franz Grabmayr von allen anderen, die in der Stofflichkeit der Farbe ihr wesentlichstes Ausdrucksmedium finden, unterscheidet.

Grabmayr weiß auch um die Schwerkraft seiner pastosen Koloritschichten, die Lava gleich erkalten und stehen bleiben, er nützt bewusst Farbverwerfungen und Überlagerungen. Es gehört viel Erfahrung dazu, um dieses Eigenleben der Farbe nicht in ungeformtes Chaos ausufern zu lassen. So sehr der Zufall sich sein Recht verschafft, er tut es doch nur innerhalb von Grenzen, die der Künstler vorgibt.

Im Gegensatz zu seinen im wahrsten Sinne des Wortes „gewichtigen“ Ölbildern, gelingt dem Künstler die Wiedergabe wild und frei tanzender Frauen mit Aquarellfarben am besten. Die meisten Tanzbilder entstanden im Winter im geschützten und von einem guten Ofen beheizten Wiener Atelier des Künstlers. Wer diese Blätter betrachtet, wird auch darin den Tanz der Elemente wiederfinden: des Feuers oder der Luft. Hier kommt die Verwandlung ausdruckstarker Bewegungen dreidimensionaler irdischer Körper in immaterielle rhythmische Energien einer Transformation von Materie in Geist gleich.

Sonnenaufgang über dem Steinbruch

Öl auf Leinwand
verso signiert und datiert 2004
118 x 118 cm

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